Das Konzept "Risikoorientierter Sanktionenvollzug (ROS)" – Treiber für die Weiterentwicklung eines wissenschaftlich fundierten und wirksamen Justizvollzugs
August 2025
Unter folgendem Link kann die vollständige Dissertation von Daniel Treuthardt heruntergeladen werden (Das Konzept "Risikoorientierter Sanktionenvollzug (ROS)" – Treiber für die Weiterentwicklung eines wissenschaftlich fundierten und wirksamen Justizvollzugs).
Auszug aus der Einleitung
Die zentralen Sanktionsziele des Justizvollzugs in der Schweiz sind in Art. 75 StGB festgelegt. Mit dem Vollzug einer strafrechtlichen Sanktion soll das soziale Verhalten und insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben, gefördert werden. Der Vollzug von Sanktionen hat demnach Mittel zum gesetzlich vorgegebenen Zweck zu sein und dieser liegt in der Zukunft, nach der Entlassung aus der Sanktion. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil deutlich über 95% aller Sanktionen, die in der Schweiz gesprochen werden, endlich sind. Dies bedeutet, dass die allermeisten Straftäter:innen irgendwann wieder in die Gesellschaft zurückkehren. Die Resozialisierung von verurteilten Personen soll jedoch nicht "Selbstzweck" sein. Integration in die Gesellschaft und damit zusammenhängend die soziale Teilhabe in zentralen Lebensbereichen wie Arbeit, Wohnen, soziale Kontakte etc. ist erst dann sinnvoll, wenn sie nachhaltig gelingt. Es ist demnach zentral, dass verurteilte Personen während des Vollzugs Fähigkeiten erwerben, die es ihnen ermöglichen in Freiheit zu leben, ohne derart gegen geltendes Recht zu verstoßen, dass eine erneute Desintegration durch Sanktionierung nötig wird. Wenn der Justizvollzug zudem als gesellschaftliche Verbundaufgabe verstanden wird, geht es, neben den notwendigen Veränderungen im Denken und Handeln einer verurteilten Person, auch darum, dass die Zeit während der Sanktion genutzt wird, um Strukturen zu erarbeiten, welche das Funktionieren in zentralen Lebensbereichen überhaupt erst möglich machen. Im Sinne eines „sowohl als auch“ gilt es also personen- wie auch umweltbezogen Ressourcen zu erarbeiten und zu stärken und gleichzeitig Risiken zu minimieren.
Beginnend mit einem Modellversuch in den Jahren 2010-2013, wurde in der deutschsprachigen Schweiz (2016 im Strafvollzugskonkordat der Ostschweiz und 2018 in demjenigen der Nordwest- und Innerschweiz) dieser theoretisch und empirisch fundierte Ansatz des "sowohl als auch" mit dem Konzept Risikoorientierter Sanktionenvollzug (ROS) im Justizvollzug verankert. Basierend auf dem Risk-Need-Responsivity-Modell (RNR) nach Andrews und Bonta, hat ROS zum Ziel, Rückfälle größtmöglich zu reduzieren, die Ressourcen der Straftäter:innen zu stärken und damit eine nachhaltige Resozialisierung zu fördern.
Bei der vorliegenden kumulativen Dissertation handelt es sich um ein anwendungsorientiertes Forschungsprojekt an der Schnittstelle zwischen Rechtswissenschaft, Kriminologie, Forensik und Psychologie. Als Chance bietet das elf Publikationen umfassende Projekt die faszinierende Möglichkeit, eine zentrale und komplexe gesellschaftliche Herausforderung zu untersuchen, um praxisrelevante Erkenntnisse zu gewinnen und damit zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlich fundierten und wirksamen Justizvollzugs in der deutschsprachigen Schweiz beizutragen.