Die Abteilung für forensisch-psychologische Abklärungen (AFA) ist eine ROS-spezifische Organisationseinheit. Sie erbringt
für ihr jeweiliges Strafvollzugskonkordat zentrale Dienstleistungen zur Umsetzung von ROS:
forensischen Fachsupport und
Risikoabklärungen.
Organisatorisch ist die AFA im Ostschweizer Strafvollzugskonkordat (OSK) in die
Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons Zürich, im Nordwest- und Innerschweizer Konkordat (NWI) in die Bewährungs-
und Vollzugsdiensten des Kantons Bern eingegliedert. Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen der AFAs sind im
Standard ROS sowie im
Standard AFA definiert.
Um einen Fall nach
ROS-Standards zu führen, muss eine aussagekräftige Aktenlage vorliegen und ein regelmässiger, transparenter Informationsaustausch
zwischen allen am Vollzug der Sanktion beteiligten Fachpersonen sichergestellt sein.
Im Prozessschritt
Triage benötigt die einweisende Behörde für die Anwendung des Fall-Screening-Tools
FaST den aktuellen Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister.
Die Abteilung für forensisch-psychologische Abklärung
(AFA) und die
fallverantwortliche Person beziehen sich in der
Risikoabklärung resp. im
Fall-Résumé (FaR) auf Informationen aus Einvernahmeprotokollen von Polizei und Staatsanwaltschaft, aus Gerichtsakten,
Gutachten, Therapieberichten und früheren Vollzugsakten. Eine detaillierte Checkliste, welche Akten eingereicht werden
müssten, ist in der webbasierten Datenbank ROSnet unter "Interne Dokumente" abrufbar.
Für die Erstellung der
Fallübersicht (FÜ) im Prozessschritt
Planung sind transparente Rückmeldungen aller
Arbeitspartner (auch von therapeutisch/medizinischen Fachpersonen) zur Risikoabklärung der AFA und den geplanten
Interventionen von zentraler Bedeutung.
Ein effizientes Risikomonitoring setzt Stellungnahmen der Arbeitspartner zu den in der FÜ definierten problematischen Aspekten
voraus. Im Prozessschritt
Verlauf ist daher die fallverantwortliche Person auf die differenzierte Berichterstattung der Arbeitspartner angewiesen.
Die ROS-Arbeitsmittel sind das Fall-Screening-Tool
(FaST), das Fall-Résumé
(FaR), die Risikoabklärung
(RA), die Fallübersicht
(FÜ) sowie die sanktionsspezifische Verlaufsliste
(VL). Sie ermöglichen eine standardisierte Realisierung der konzeptuellen Vorgaben im Vollzugsalltag.
FaST, FaR, FÜ sowie die VL werden direkt in der webbasierten Datenbank
ROSnet angewendet. Die RA ist im ROSnet abrufbar.
Als Arbeitspartner werden Dienstleistungserbringer im Auftrag der einweisenden Behörden bezeichnet. Dazu gehören Institutionen
wie Vollzugseinrichtungen, Massnahmenzentren, Kliniken, Wohn- und Arbeitsexternate, aber auch Bewährungshelfende,
Einzeltherapeuten, Betreuende etc.
Die Arbeitspartner werden bei der
Konsolidierung der Fallübersicht aktiv in die
Vollzugsplanung einbezogen.
Im Verlauf der Sanktion melden sie im Rahmen der
standardisierten Berichterstattung der
fallverantwortlichen Person regelmässig zurück, wie die Bearbeitung der Themen gemäss
Fallübersicht verläuft. Stellen die Arbeitspartner Hinweise auf einen
potenziell kritischen Verlauf fest, prüft die fallverantwortliche Person, ob der
forensische Fachsupport der
(AFA) beansprucht werden muss.
Die
fallverantwortliche Person der einweisenden Behörde wertet die Berichte ihrer
Arbeitspartner nach definierten Kriterien aus.
Die Rolle der fallverantwortlichen Person in der einweisenden Behörde ist die eines Case Managers. Sie führt einen Fall
von Sanktionsbeginn bis -ende.
Arbeitspartner begleiten einen Klienten / eine Klientin in der Regel nur während einer einzelnen Phase des Vollzugs
wie zum Beispiel während eines Arbeitsexternats oder während des geschlossenen Vollzugs. Dagegen bleibt die fallverantwortliche
Person über den gesamten Vollzugsprozess für die Koordination zuständig.
Die Arbeitspartner stehen mit der fallverantwortlichen Person in Kontakt und erstatten regelmässig und
standardisiert Bericht zum Vollzugsverlauf. In der webbasierten Datenbank
ROSnet gewährt die fallverantwortliche Person den involvierten Arbeitspartnern Zugriff zu allen relevanten Unterlagen
zum Fall (z.B.
Risikoabklärung,
Fallübersicht). Ihre Zuständigkeit über den gesamten Vollzugsprozess dient damit der Vermeidung von Informationsverlust
an Schnittstellen.
Die fallverantwortliche Person ist in ihrer Case-Management-Funktion mit der
Planung des gesamten Vollzugs betraut, während die Arbeitspartner für ihre jeweilige Phase den spezifischen
Vollzugsplan erstellen.
In sanktionsspezifischen Checklisten ist definiert, zu welchen risikorelevanten Fragestellungen im Rahmen der
standardisierten Berichterstattung von den
Arbeitspartnern eine aktuelle Einschätzung erforderlich ist. Die Arbeitspartner können entweder die Checkliste
ausgefüllt ihrem Bericht beilegen, oder aber die Items der Checkliste direkt in ihre Berichtsstruktur integrieren.
In der
Risikoabklärung wird ein Fallkonzept hergeleitet, auf dem das
gemeinsame Fallverständnis aller beteiligten Fachpersonen (
fallverantwortliche Person,
Arbeitspartner,
AFA) beruht.
Die AFA erarbeitet eine Hypothese zum Deliktmechanismus. Diese erklärt den funktionalen Zusammenhang zwischen problematischen
Aspekten (personenbezogen, umweltbezogen, situativ), sowie daraus entstehenden deliktrelevanten Handlungsmotivationen.
Das individualisierte Fallkonzept eines Klienten / einer Klientin verdeutlicht, welches
Risiko- und
Problemprofil besteht, welche problematischen Aspekte risikorelevant sind und worauf im Vollzug besonders geachtet
werden muss.
Das Risiko- und das Problemprofil werden in die
Fallübersicht übertragen. Im Prozessschritt
Planung wird für jeden problematischen Aspekt die Umsetzung der
Interventionsempfehlungen definiert. Zudem wird auch ein Augenmerk auf vorhandene oder aufzubauende
Ressourcen des Klienten / der Klientin gelegt, die eine nachhaltige
Resozialisierung fördern.
Das Fall-Résumé (FaR) ist ein
Arbeitsmittel, das direkt in der webbasierten Datenbank
ROSnet angewandt wird. Das FaR ermöglicht es der
fallverantwortlichen Person, sich ein strukturiertes Gesamtbild vom Fall zu erarbeiten.
FaR ist als Fragebogenstruktur aufgebaut, in der die fallverantwortliche Person Informationen aus verschiedenen Quellen einspeist.
Diese Quellen können der Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister, vorliegende Gutachten, frühere Behandlungs- oder
Vollzugsberichte, Polizei- oder Gerichtsakten sein. In FaR werden Informationen zum Anlassdelikt, zur Delinquenzentwicklung,
zur Biografie sowie aus Einschätzungen Dritter (Gutachten, Berichte etc.) zusammengetragen.
Sollten durch die Erarbeitung des strukturierten Gesamtbildes Hinweise auf eine Problematik im Bereich der Gewaltbereitschaft
und Aggressivität erkannt werden, wird der Fall ungeachtet seiner
FaST-Klassifikation mittels
forensischem Fachsupport überprüft.
Ist keine vertiefte Abklärung durch die
AFA angezeigt, erstellt die fallverantwortliche Person ein
Problemprofil des Klienten / der Klientin. Dieses dient als Grundlage für die
Vollzugsplanung.
Das Fall-Screening-Tool, kurz FaST, ermittelt anhand weniger, dafür aber aussagekräftiger Merkmale, wie hoch der Abklärungsbedarf
in einem Fall ist. Dazu ordnet FaST einen Fall verschiedenen Kategorien zu. Die benötigten Informationen können dem
Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister entnommen werden.
FaST vermag nicht das Rückfallrisiko einer Person einzuschätzen. Es stellt lediglich fest, ob weitere Abklärungen nötig sind.
FaST erkennt Abklärungsbedarf, wenn empirisch gut validierte, statistische Risikofaktoren erfüllt sind. Folgende Punkte
werden überprüft:
-
Wie viele Verurteilungen liegen insgesamt vor?
-
In welchen Deliktkategorien (Sexual-, Gewaltstraftat, Allgemeine Delinquenz) liegen Verurteilungen vor?
-
In welchem Alter wurde der Klient / die Klientin erstmalig straffällig?
-
Wie hoch ist die Basisrate (deliktspezifische Rückfallrate) der begangenen Delikte?
-
Liegt polymorphe Delinquenz vor?
-
Liegen Widerrufe von bedingten Entlassungen oder Sanktionen vor?
Als positive Aspekte wertet FaST folgende Punkte:
-
Der Klient / die Klientin hat wegen eines Gewaltdelikts eine Freiheitsstrafe verbüsst. Seit Sanktionsende sind
mindestens fünf Jahre vergangen und der Klient / die Klientin wurde nicht mehr mit einem Gewaltdelikt straffällig.
-
Der Klient / die Klientin hat wegen eines Gewalt- oder Sexualdelikts eine Massnahme abgeschlossen. Seit Sanktionsende
sind mindestens fünf Jahre vergangen und der Klient / die Klientin wurde nicht mehr mit einem Gewalt- oder Sexualdelikt
straffällig.
-
Der Klient / die Klientin ist aktuell 50-jährig oder älter.
Das Resultat von FaST ist die Zuordnung des Falls zu einer der folgenden Kategorien. Diese FaST-Klassifikation zeigt an,
wie mit dem Fall weiter verfahren werden soll.
-
Bei FaST-Klassifikation A liegt gemäss FaST kein besonderer Abklärungsbedarf vor.
-
Bei FaST-Klassifikation B ist die Durchführung eines
Fall-Résumés erforderlich.
-
Bei FaST-Klassifikation C ist eine
Risikoabklärung durch die
AFA erforderlich.
-
Bei einer FaST-Klassifikation A* oder B* ist der Abklärungsbedarf mittels
forensischem Fachsupport durch die AFA zu bestimmen.
Die Fallübersicht (FÜ) ist ein Dokument, das Abklärungsergebnisse und Planungsprozesse verbindet und veranschaulicht.
In der Fallübersicht werden das
Risikoprofil, das
Problemprofil und die
Ressourcen gemäss
Risikoabklärung (RA) resp.
Fall-Résumés (FaR) aufgeführt.
Aus der Fallübersicht ist ersichtlich, mit welchen Interventionen an den jeweiligen problematischen Aspekten (gemäss Problemprofil)
gearbeitet wird, wer wofür zuständig ist und in welchem Zeitraum die Interventionen durchgeführt werden. Die Fallübersicht
wird in
ROSnet erstellt und aktualisiert.
Die Fallübersicht ist von der
fallverantwortliche Person mit sämtlichen involvierten Parteien (
Arbeitspartner,
AFA) zu konsolidieren.
Zu den wichtigsten Zielen des risikoorientierten Sanktionenvollzugs gehört es, dass alle in der Vollzugsarbeit involvierten
Parteien (
fallverantwortliche Person,
Arbeitspartner,
AFA) ein gemeinsames Fallverständnis entwickeln. Alle Beteiligten müssen hierfür das
Risikoprofil des Klienten / der Klientin kennen. Sie müssen zudem verstehen, welche risikorelevanten problematischen
Aspekte (
Problemprofil) vorliegen und wie diese zu bearbeiten sind. Konkrete Aufgaben und Zuständigkeiten sind in der
Fallübersicht dargestellt.
Ein gemeinsames Fallverständnis setzt den transparenten
Informationsaustausch zwischen allen in die Vollzugsarbeit involvierten Parteien sowie eine konsolidierte Planung
mit klarer Aufgabenverteilung voraus. Dazu sind die
Inputs der Arbeitspartner zu den
Abklärungsergebnissen aus Risikoabklärung oder
Fall-Résumé von zentraler Bedeutung. Die webbasierte Datenbank
ROSnet erleichtert die Kommunikation, indem alle involvierten Parteien jederzeit Zugriff auf die relevanten ROS-Unterlagen
zu einem Fall haben und Anpassungen aufgrund aktueller Entwicklungen im Sanktionsverlauf umgehend sichtbar sind.
Manchmal wird in einer
Risikoabklärung oder einem
Fall-Résumés ein erhöhter Veränderungs- und damit auch Behandlungsbedarf festgestellt, für den unter den gegebenen
juristischen Rahmenbedingungen jedoch keine adäquate Behandlung vorgesehen ist. Während der zu vollziehenden Sanktion
sollte der Klient / die Klientin im Rahmen von beratenden Gesprächen mit Fachpersonen des Justizvollzugs dennoch
bezüglich seines
Problemprofils sensibilisiert (Förderung Problembewusstsein) werden. Im
personenbezogenen Veränderungsbedarf wir diese Form der Intervention dem problematischen Aspekt "Problembewusstsein
und Veränderungsbereitschaft" zugeordnet.
Diese Interventionen umfassen die folgenden Zielsetzungen
Der Klient/ die Klientin
-
kommt zur Erkenntnis, dass er / sie in der Situation in welcher es zu den Delikten gekommen ist, die Entscheidung
getroffen hat so und nicht anders zu handeln.
-
übernimmt die Verantwortung für diese Entscheidungen.
-
erkennt zumindest in Ansätzen aus welchen Gründen er / sie sich so verhalten hat.
-
erkennt den Bedarf, zukünftig in vergleichbaren Situationen nicht mit strafbaren Handlungen zu reagieren.
-
möchte sein Verhalten entsprechend verändern.
-
lässt sich auf eine vertiefte deliktpräventive Auseinandersetzung ein (Deliktdynamik, Risikosituationen, Notfallpläne,
alternative Handlungsstrategien).
Liegen Hinweise auf potenziell
risikorelevante Entwicklungen oder fallspezifisch forensisch-psychologische Fragestellungen vor, kann die
fallverantwortliche Person jederzeit und unabhängig vom Resultat der Triage niederschwellig mit der
AFA in Kontakt treten und forensischen Fachsupport einholen. Ziel des Austauschs zwischen fallverantwortlicher
und forensischer Fachperson ist es zu entscheiden, wie mit dem Fall aus forensisch-psychologischer Sicht weiter verfahren
wird.
Der forensische Fachsupport wird in der Regel durch die Leitung der jeweiligen AFA durchgeführt und ist immer dann in Anspruch
zu nehmen, wenn im Prozess folgende Situation besteht:
-
FaST hat eine Klassifikation A* oder B* ergeben
-
FaST ergibt eine C-Klassifikation und es besteht bereits eine
Risikoabklärung aus einem früheren Sanktionenvollzug. Der aktuellen Sanktion liegt jedoch kein Gewalt- oder Sexualdelikt
zugrunde.
-
Im
Fall-Résumé bezeichnet die fallverantwortliche Person Hinweise in Bezug auf Gewalt- oder Sexualdelikte, die einer
forensisch-psychologischen Überprüfung bedürfen.
-
Die fallverantwortliche Person und die
Arbeitspartner werden sich im Rahmen des Konsolidierungsprozesses nicht einig bezüglich des
personenbezogenen Veränderungsbedarfs.
-
Im Verlauf der Sanktion ergeben sich für die fallverantwortliche Person oder die Arbeitspartner risikoorientierte
Fragestellungen.
Die Informationssammlung in der
Risikoabklärung umfasst Angaben zum Vollzugstitel, allfälligen Vorstrafen sowie (Therapie-) Berichten / Risikoabklärungen
und forensischen Gutachten, dem früheren oder aktuellen Straf-/ Massnahmenverlauf sowie anamnestische Daten. Als
Informationsquellen dienen Einvernahmeprotokolle der Polizei und Staatsanwaltschaft, Gerichtsakten, Gutachten, Therapieberichte
und frühere Vollzugsakten.
Die benötigten Akten sind von der Auftrag gebenden Person zu organisieren und mit dem unterschriebenen Auftragsformular der
AFA zuzustellen. Eine detaillierte Checkliste, welche Akten eingereicht werden müssten, ist in der webbasierten Datenbank
ROSnet unter "Interne Dokumente" abrufbar. Bei Unklarheiten, ob bestimmte Unterlagen benötigt werden, gibt die AFA telefonisch
Auskunft.
Die in den Akten enthaltenen besonderen Personendaten werden von der AFA ausschliesslich zur Auftragserfüllung verwendet.
Falls im Auftrag nicht anders vermerkt, schickt die AFA die Akten nach Erstellen der Risikoabklärung zurück an die Auftrag
gebende Person.
Im Rahmen der Erstellung einer
Risikoabklärung durch die
AFA wird aus dem
Problemprofil
Personen- und
umweltbezogener Veränderungsbedarf abgeleitet. Für die Bearbeitung des Veränderungsbedarfs werden spezifische
Interventionen empfohlen.
Interventionsempfehlungen in Risikoabklärungen haben keinen Weisungscharakter.
Manchmal kann dem bestehenden Veränderungsbedarf im Rahmen der juristischen oder vollzugspraktischen Bedingungen nicht ausreichend
Rechnung getragen werden. In diesen Fällen hält die
AFA dennoch fest, welche Interventionen aus forensischer Sicht dem Problemprofil am besten entsprechen würden. Sie
formuliert zusätzlich Interventionsempfehlungen, die den Bedarf unter den gegebenen Bedingungen soweit als möglich abdecken.
Um den
Prozessschritt Planung abzuschliessen, wird die Rückmeldung der in den Fall involvierten
Arbeitspartner zum
Risiko-,
Problem- und
Ressourcenprofil des Klienten / der Klientin sowie zu den geplanten Interventionen benötigt.
Der Entwurf der FÜ RA muss den aktuell beteiligten Arbeitspartnern zugestellt werden. Die zugehörige
Risikoabklärung ist beizulegen.
Der Entwurf der FÜ FaR muss den aktuell beteiligten Arbeitspartnern zugestellt werden. Das zugehörige
Fall-Résumé kann beigelegt werden.
Die Arbeitspartner sind verpflichtet eine Rückmeldung zu diesen Unterlagen zu geben. Im Fokus sollen das
Fallverständnis und die Realisierbarkeit der vorgesehenen Interventionen stehen.
Die
fallverantwortliche Person bereinigt die FÜ FaR direkt im ROSnet.
Bei der FÜ RA können Anpassungen im
personenbezogenen Veränderungsbedarf ausschliesslich durch die
AFA vorgenommen werden. Dies setzt eine erneute Durchführung des Teilprozesses
"Konsolidierung RA" voraus. Den umweltbezogenen Veränderungsbedarf oder den
Kontrollbedarf bereinigt die fallverantwortliche Person direkt im ROSnet.
Gelingt es der fallverantwortlichen Person und dem beteiligten Arbeitspartner nicht, allfällige Unklarheiten bzw. unterschiedlichen
Einschätzungen zu bereinigen, müssen die jeweils Vorgesetzten darüber informiert werden. Die Konsolidierung hat dann
auf der nächsthöheren Hierarchiestufe zu erfolgen.
Bei Fällen mit FÜ FaR kann die AFA mittels
forensischem Fachsupport beigezogen werden, wenn unterschiedliche Einschätzungen zum personenbezogenen Veränderungsbedarf
vorliegen.
Die Form der Rückmeldung durch die Arbeitspartner (z.B. E-Mail, Telefon) ist gemäss ROS-Konzept nicht standardisiert.
Bevor eine
Risikoabklärung fertig gestellt wird, erfolgt ein Austausch zwischen Erstautorin / Erstautor der
AFA und der
fallverantwortlichen Person. Dies dient der Etablierung eines gemeinsamen
Fallverständnisses.
Die RA / RS wird als Entwurfsfassung (ohne Unterschrift) in der webbasierten Datenbank
ROSnet aufgeschaltet. In einer Fallbesprechung zwischen der fallverantwortlichen Person und der Erstautorin / dem
Erstautoren der AFA werden die Risikoabklärungen entlang der folgenden Themen besprochen:
-
Liegen allfällige neue Informationen vor (z.B. aufgrund des direkten Klientenkontaktes oder Rückmeldungen von
Arbeitspartnern)
-
Sind das
Fallkonzept, das
Problemprofil und das
Risikoprofil nachvollziehbar?
-
Sind die
Interventionsempfehlungen angesichts juristischer Rahmenbedingungen und vollzugspraktischer Möglichkeiten realisierbar?
-
Kann das Ressourcenprofil ergänzt werden?
-
Sind die Schlussfolgerungen nachvollziehbar?
Gelingt es im Rahmen der Fallbesprechung nicht, allfällige Unklarheiten bzw. unterschiedlichen Einschätzungen zu bereinigen,
müssen die jeweils Vorgesetzten darüber informiert werden. Die Konsolidierung hat dann auf der nächsthöheren Hierarchiestufe
zu erfolgen.
Fallspezifische Hinweise auf potenziell kritische Entwicklungen während des Vollzugs der Sanktion werden unter dem Titel
Kontrollbedarf ausgeführt. Alle am Vollzug beteiligten Fachpersonen sollen wissen, wie zu reagieren ist, wenn Warnhinweise
auftreten.
Der individuelle Kontrollbedarf wird aus der Hypothese zum Deliktmechanismus abgeleitet. Die dort beschriebenen Merkmale
des Tatvorlaufs verdeutlichen, welche Begebenheiten typischerweise zu- oder eintreffen müssen, bevor der Klient / die
Klientin eine strafbare Handlung begeht. Damit frühzeitig und unaufgeregt reagiert werden kann, sollen Hinweise auf eine
potenziell kritische Entwicklung definiert werden.
Der Kontrollbedarf wird einer der folgenden Kategorien zugeordnet:
-
Arbeitssituation
-
Wohn- und Unterbringungssituation
-
Finanzen
-
Partnerschaft und Familie
-
Sonstiges soziales Umfeld
-
Freizeitverhalten
-
Gesundheit
-
Gegenwärtige psychische Verfassung
-
Suchtmittelproblematik
-
Betreuungs- und Behandlungssituation
-
Spezifische Konstellation in Bezug auf bedeutsame Personen
-
Sonstiges
Ziel eines Modellversuchs ist die Entwicklung und Erprobung neuer Methoden und Konzeptionen im Straf- und Massnahmenvollzug
sowie in der stationären Jugendhilfe. Durch die systematische Evaluation sollen fundierte Hinweise für die weitere
Entwicklung geliefert werden. Der Bund kann an die Durchführung und Evaluation von Modellversuchen Beiträge gewähren.
-
Umfassende Informationen zu Modellversuchen sind
hier zu finden.
-
Umfassende Informationen zum Modellversuch Risikoorientierter Sanktionenvollzug sind unter
ROS allgemein zu finden.
Als Hinweis auf einen potenziell kritischen Verlauf gemäss ROS-Konzept werden sämtliche beunruhigenden Entwicklungen
im Sanktionsverlauf bezeichnet, die von der
fallverantwortlichen Person oder den
Arbeitspartnern festgestellt werden und ggf. forensisch-psychologisch zu überprüfen sind.
Sollten solche Hinweise vorliegen, ist die fallverantwortliche Person angehalten, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Für die Beantwortung der Frage nach einer Überprüfung des
Risikoprofils oder des
personenbezogenen Veränderungsbedarfs kann die
AFA im Rahmen von
forensischem Fachsupport involviert werden.
Sämtliche beteiligten Fachpersonen müssen bei allen Fällen (nicht nur bei Fällen mit
Risikoabklärung,
Fall-Résumé und
Fallübersicht) auf potenziell kritische Entwicklungen sensibilisiert sein. Dabei sollte insbesondere auf die folgenden
Themenbereiche geachtet werden:
-
Der Klient / die Klientin zeigt Auffälligkeiten im Verhalten wie z.B. mangelnde Absprachefähigkeit, Verstösse
gegen Weisungen und Auflagen, Krisen.
-
Es zeichnen sich konflikthafte Entwicklungen im Zusammenhang mit bestimmten Personen, Behörden etc. ab.
-
Beim Klienten / bei der Klientin zeigen oder akzentuieren sich prokriminelle Einstellungen wie z.B. mangelnde
Regelakzeptanz oder Legitimierung von delinquentem Verhalten.
-
Beim Klienten / bei der Klientin zeigen oder akzentuieren sich problematischen Handlungstendenzen aus dem Bereich
der Gewalt- und Sexualdelinquenz wie z.B. geringe Frustrationstoleranz, Impulsivität, hohe Kränkbarkeit.
-
Zentrale, risikorelevante Aspekte aus der Fallübersicht werden nicht berücksichtigt.
-
Ein bestehendes
Fallverständnis wird infrage gestellt.
Problematische Aspekte, welche die Wahrscheinlichkeit für delinquentes Verhalten erhöhen und in der Person eines Klienten
/ einer Klientin verankert sind, werden als personenbezogener Veränderungsbedarf im
Problemprofil aufgeführt. Dabei handelt es sich im Kern um problematische Denk- und Verhaltensmuster, welche
im Rahmen von spezifischen Interventionen bearbeitet werden müssen, um eine nachhaltige Senkung des Delinquenzrisikos
zu erreichen.
Die Ausprägung des personenbezogenen Veränderungsbedarfs wirkt sich direkt auf das individuelle
Risikoprofil aus: je ausgeprägter das Problemprofil, desto ausgeprägter das Risikoprofil. Gemäss robusten empirischen
Erkenntnissen muss für eine effektive Senkung des Delinquenzrisikos bei Personen mit ausgeprägtem Risiko- und Problemprofil
intensiver interveniert werden als bei Personen mit einem weniger ausgeprägten Risikoprofil. Zudem haben sich kognitiv-verhaltensorientierte
und multimodale methodische Behandlungsansätze, in welchen die fallspezifische Ansprechbarkeit des Klienten / der Klientin
berücksichtigt wird, als besonders wirksam erwiesen (z.B. ambulante oder stationäre therapeutische Intervention oder
manualisierte Lernprogramme).
Wird im Prozessschritt Abklärung ein
Fall-Résumé (FaR) erstellt, so zitiert die
fallverantwortliche Person unter dem personenbezogenen Veränderungsbedarf jene Diagnosen, die der aktuellen Sanktion
zugrunde liegen aus dem entsprechenden Gutachten (i.d.R. bei Massnahmen gegeben). Liegt zwar keine gutachterliche Einschätzung
aber eine aussagekräftige
Aktenlage vor, kann eine fallverantwortliche Person mit entsprechender forensisch-psychologischer Grundbildung (z.B.
Nachdiplomstudium am Institut für Opferschutz und Täterbehandlung in Kooperation mit der Universität Zürich, CAS Dissozialität
und Kriminalität der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) den personenbezogenen Veränderungsbedarf mithilfe
der nachfolgenden Tabelle definieren. Sind die beschriebenen Voraussetzungen nicht gegeben, wird kein personenbezogener
Veränderungsbedarf angegeben.
Um das
Risikopotenzial eines Klienten / einer Klientin erfolgreich zu reduzieren, müssen in der Behandlung veränderbare
risikorelevante problematische Aspekte fokussiert werden. Dabei handelt es sich im Kern um Denk- und Verhaltensmuster
welche die Wahrscheinlichkeit für delinquentes Verhalten erhöhen. Ob legalprognostisch relevante psychische Störungen
im engeren Sinn vorliegen, gilt es im Einzelfall zu überprüfen. In der Literatur sind neben deliktrelevanten psychischen
Störungen gemäss ICD/DSM wie Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen eine Vielzahl von deliktrelevanten Denk- und
Verhaltensmustern beschrieben. Andrews und Bonta (2010) bezeichnen in ihren „central eight“ beispielsweise antisoziale
Verhaltensweisen, prokriminelle Einstellungen oder Suchtmittelproblematik als deliktrelevante personenbezogene problematische
Aspekte. Auf der Basis von lediglich drei Syndromen kann jedoch kein hoch individualisiertes Problemprofil erstellt werden.
Urbaniok (2016) hingegen schlägt mit dem Forensischen Operationalisierten Therapie-Risiko-Evaluations-System (FOTRES)
in dem mehr als 90 Risikoeigenschaften definiert sind, einen sehr differenzierten Ansatz vor. Vom Prinzip handelt es
sich bei den Risikoeigenschaften nach FOTRES, analog den personenbezogenen problematischen Aspekten gemäss ROS-Konzept,
um dynamische, risikorelevante Denk- und Verhaltensmuster.
Wenn die Datenlage nicht ausreicht für die Anwendung von FOTRES, wird das
Fallkonzept in Anlehnung an empirisch gut bestätigten, deliktrelevanten Denk- und Verhaltensmuster erstellt
(siehe Übersichtstabelle). Diese sind insbesondere im Zusammenhang mit Gewaltdelinquenz von Bedeutung (u.a. Andrews &
Bonta, 2010, Côté et al., 2008; Dahle et al., 2012; Douglas et al., 2014; Hilton et al., 2010). Es gilt zu beachten,
dass es sich bei aufgeführten problematischen Aspekte nicht um eine abschliessende Aufzählung handelt.
Nicht selten wird in einer
Risikoabklärung oder einem Fall-Résumés ein therapeutischer Veränderungsbedarf festgestellt, dem unter den gegebenen
juristischen Rahmenbedingungen jedoch nicht entsprochen werden kann. Während der zu vollziehenden Sanktion sollte der
Klient / die Klientin im Rahmen von beratenden Gesprächen mit Fachpersonen des Justizvollzugs dennoch bezüglich seines
Problemprofils sensibilisiert (
Förderung Problembewusstsein) werden. Im personenbezogenen Veränderungsbedarf wird diese Form der Intervention dem
problematischen Aspekt "Problembewusstsein und Veränderungsbereitschaft" zugeordnet.
Das Problemprofil zeigt jene problematischen Aspekte in der Person (
personenbezogener Veränderungsbedarf) und in der Umwelt (
umweltbezogenem Veränderungsbedarf) eines Klienten / einer Klientin auf, die risikorelevant sind. Diese Aspekte
müssen verändert werden, um eine nachhaltige Legalbewährung und
Resozialisierung des Klienten / der Klientin zu erreichen.
Im Sinne eines
gemeinsamen Fallverständnisses ist es unerlässlich, dass allen am Vollzug Beteiligten klar ist, welches diese problematischen
Aspekte sind und wie diese zu bearbeiten sind. Aus den personen- und umweltbezogenen problematischen Aspekten werden
Veränderungsbedarf sowie
Kontrollbedarf abgeleitet.
Abhängig davon, ob ein Fall mittels
Risikoabklärung (RA) von der
AFA oder durch ein
Fall-Résumé (FaR) von der
fallverantwortlichen Person untersucht wurde, liegt das Problemprofil eines Klienten / einer Klientin unterschiedlich
differenziert vor. Das Problemprofil in einer RA unterscheidet sich von jenem aus einem FaR bezüglich des personenbezogenen
Veränderungsbedarfs.
Neben den Angaben zu problematischen Aspekten und dem
Risikoprofil wird in der
Fallübersicht auch ein Augenmerk auf vorhandene oder aufzubauende
Ressourcen des Klienten / der Klientin gelegt, die eine nachhaltige
Resozialisierung fördern.
Um eine nachhaltige Resozialisierung des Klienten / der Klientin zu erreichen, werden gemäss ROS-Konzept zwei zentrale
Ziele verfolgt: die Senkung des Delinquenzrisikos durch erfolgreiche Bearbeitung des
Problemprofil sowie die Förderung bestehender und den Aufbau zusätzlicher
Ressourcen.
Risikorelevante Denk- und Verhaltensmuster lassen sich nicht nachhaltig verändern, indem lediglich umweltbezogene problematische
Aspekte entschärft oder umweltbezogene Ressourcen gestärkt werden. So verschwindet beispielsweise eine Steuerungsproblematik
in der Regel nicht, weil der Klient Vater geworden ist und sich deshalb nicht mehr mit seinem prokriminellen Umfeld trifft.
Auch weiss ein pädosexueller Straftäter nicht plötzlich, wie er seine sexuellen Bedürfnisse steuern kann, weil er einer
geregelten Arbeit nachgeht. Nachhaltige Veränderungen des Problemprofils setzen in aller Regel eine explizite Auseinandersetzung
mit den personenbezogenen problematischen Aspekten voraus. Eine sinnstiftende Lebensführung und das Erarbeiten von prosozialen
Lebenszielen führen jedoch insgesamt zu einer stabileren Grundsituation. Diese Zusammenhänge verdeutlichen, dass sowohl
die ausschliessliche Fokussierung auf Risiken wie auch diejenige auf
Ressourcen zu kurz greift. Viel sinnvoller ist es, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse mit einer ganzheitlichen
Sichtweise an fallspezifisch relevanten Themenbereichen zu arbeiten, die durch Interventionen möglichst weitreichend
in eine positive Richtung beeinflusst werden sollen. Eine solche Vorgehensweise senkt nicht nur die Wahrscheinlichkeit
erneuter delinquenter Handlungen, sie unterstützt auch die Stabilisierung der Lebensumstände und trägt somit massgeblich
zu einer nachhaltigen Resozialisierung der straffällig gewordenen Person bei.
Ressourcen sind positiv ausgeprägte Aspekte in der Person und der Umwelt des Klienten / der Klienten, die zur Erreichung
einer nachhaltigen
Resozialisierung beitragen.
Folgende Ressourcen weisen gemäss wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Zusammenhang mit Rückfälligkeit auf. Bei den in der
folgenden Tabelle festgehaltenen Ressourcen handelt es sich um keine abschliessende Aufzählung.
Personenbezogen
-
Intelligenz
-
Sichere Bindungen in Kindheit (Sicherheitsgefühl)
-
Ablehnung von Suchtmittelkonsum (besonders aktive Ablehnung)
-
Prosoziale Persönlichkeit/Einstellung/Werte
-
Positive Coping-Strategien
-
Empathie(vermögen)
-
Selbstkontrolle
-
Veränderungsmotivation/-bereitschaft (in Bezug auf Behandlung)
-
„gesunde“ Einstellung gegenüber Autoritäten (Einordnen in Hierarchien)
-
Vorhandene (realistische) Lebensziele
-
Religiosität (unabhängig von Glaubensrichtung; besonders bei aktiver Teilnahme an religiösen Aktivitäten)
-
Bei Indikation für eine medikamentöse Behandlung: Medikamenten-Compliance
Umweltbezogen
-
Einbindung in positives soziales Netzwerk; soziale und emotionale Unterstützung; Freizeit mit Familie oder Freunden
-
Positive Peer-Beziehungen (keine kriminellen/prokriminellen Peers, keine Drogenkonsumenten)
-
Positive (organisierte) Freizeitgestaltung/Erholung (bei Jugendlichen auch besonders Zeit in Jugendprogrammen/Jugendorganisationen)
-
Positives Familienumfeld/positive Erziehung
-
Intime Partnerschaft
-
Gute Schulausbildung/berufliche Anstellung (Achtung: aktive Suche nach Arbeit stellt (statistisch) einen Risikofaktor
dar; mögliche Erklärung: viele Absagen können zu Frustration führen)
-
(Sichere) Wohnsituation (Achtung: alleine Wohnen stellt (statistisch) einen Risikofaktor dar; mögliche Erklärung:
Fehlen von Struktur).
-
Vorhandensein professioneller Hilfe/eines Beistands (freiwillige Zusammenarbeit)
Es gibt nicht oder kaum veränderbare personenbezogene Ressourcen wie z.B. die Intelligenz oder das Vorhandensein von sicheren
Bindungen in der Kindheit. Alle weiteren personenbezogenen wie auch sämtliche umweltbezogenen Ressourcen können jedoch
erarbeitet werden. Generell ist es hoch sinnvoll, dass vorhandene Ressourcen der Betroffenen gestärkt sowie neue Ressourcen
aufgebaut werden (Flückiger & Grosse-Holtforth, 2007; Sachse, 2016). Tatsache ist, dass viele Themenbereiche als
Risikofaktoren definiert werden müssen, wenn sie ungünstig ausgeprägt sind, sich jedoch zu Ressourcen entwickeln können,
wenn sie positiv beeinflusst werden. So stellt beispielsweise eine mangelnde Steuerungsfähigkeit ein risikorelevantes
Verhaltensmuster dar, wohingegen eine intakte Fähigkeit zur Emotions- und Handlungskontrolle in der Regel als risikosenkende
Ressource zu werten ist. Dasselbe gilt für antisoziale versus prosoziale Denkmuster. Auch umweltbezogene Themenbereiche
können eine risikoerhöhende oder risikosenkende Wirkung entfalten. Dies ist beispielsweise bekannt bezüglich der Unfähigkeit
vs. Fähigkeit, langfristig einer geregelten Lohnarbeit nachzugehen oder sich in einem positiven vs. antisozialen Freundes-
und Kollegenkreis zu bewegen.
Diese Erkenntnis legt nahe, dass die Arbeit an risikorelevanten Problembereichen ihr Ziel nicht erreicht haben muss wenn
das
Problemprofil „lediglich“ entschärft ist. Problembereiche können auch zu Ressourcen entwickelt werden. Es gibt unterschiedliche
methodische Ansätze, wie gezielt ressourcenorientiert gearbeitet werden kann, z.B. das Good Lives Model GLM (Ward et
al., 2007) oder Bedürfnis- und Motivorientierte Ansätze (Stucki & Grawe, 2007; Sachse, 2016). Zentral für eine nachhaltig
erfolgreiche Behandlung ist jedoch, dass immer beide Perspektiven, die Problem- wie auch die Ressourcenorientierung berücksichtigt
werden. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass bei reintegrativen Massnahmen ein allfällig vorhandenes,
stark ausgeprägtes, personenbezogenes Problemprofil einer Tatperson mit entsprechendem Veränderungsbedarf nicht unberücksichtigt
bleibt.
Ressourcenorientierte Ansätze sind insbesondere auch im Zusammenhang mit der Erfüllung des Ansprechbarkeitsprinzips von Andrews
und Bonta (2010) wichtig. Für den Aufbau und den Erhalt einer tragfähigen Beziehung zwischen Klient / Klientin und behandelnder
Fachperson ist es unerlässlich, dass die behandelte Person als Mensch und nicht nur als problembehafteter Täter / problembehaftete
Täterin wahrgenommen wird. Es ist wichtig, dass positive Aspekte, Lebensziele und Werte aktiv erfragt werden und damit
nicht nur Vermeidungsziele (i.e.S. „keine Rückfälle“) sondern eben auch an der Definition und Erreichung von Annäherungszielen
(z.B. zufriedenstellende Lebensgestaltung) gearbeitet wird (Flückiger & Grosse-Holtforth, 2007). Das Vorhandensein
von starken Annäherungszielen ist zudem sehr hilfreich für die Überbrückung von Phasen eingeschränkter Veränderungsmotivation.
Literatur
-
Andrews, D.A. & Bonta, J. (2010). The psychology of criminal conduct, fifth edition. Matthew Bender &
company, inc., a member of the LexisNexis Group. New Providence, NJ.
-
Boer, D. P. (2013). Some essential environmental ingredients for sex offender reintegration. International journal
of behavioral consultation and therapy, 8(3-4), 8-11.
-
De Vogel, V., de Vries Robbé, M., de Ruiter, C., & Bouman, Y. H. (2011). Assessing protective factors in
forensic psychiatric practice: Introducing the SAPROF. International Journal of Forensic Mental Health, 10(3), 171-177.
-
Flückiger, C. & Grosse-Holtforth, M. (2007). Ressourcenaktivierung und motivorientierte Beziehungsgestaltung
– Bedürfnisbefriedigung in der Psychotherapie. In R. Frank. Therapieziel Wohlbefinden. Heidelberg: Springer.
-
Sachse, R. (2016). Therapeutische Beziehungsgestaltung. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Göttingen: Hogrefe.
-
Ullrich, S., & Coid, J. (2011). Protective factors for violence among released prisoners: Effects over time
and interactions with static risk. Journal of Consulting and Clinical psychology, 79(3), 381.
-
Ward, T., Mann, R.E., & Gannon, T.A. (2007). The good lives model of offender rehabilitation: Clinical implications.
Aggression and Violent Behavior, 12, 87-107.
Die Risikoabklärung ist ein Dokument, das von forensisch spezialisierten Psychologinnen oder Psychologen der
AFA erstellt wird. Darin werden das
Risiko- und das
Problemprofil eines Klienten / einer Klientin hergeleitet. Dies bildet die Basis für ein
gemeinsames Fallverständnis und die fallspezifische
Vollzugsplanung.
Die Risikoabklärung erfolgt
aktengestützt. Allfällige Rückmeldungen von fallspezifisch involvierten Fachpersonen (z.B.
fallverantwortliche Person,
Arbeitspartner) werden mit einbezogen. Bei ausreichender
Aktenlage wird mindestens ein standardisiertes, validiertes
Risk-Assessment-Instrument angewandt. Die Risikoabklärung der AFA ist im Sinne einer strukturierten professionellen
Urteilsbildung (engl.: structured professional judgement, SPJ) zu verstehen: Die Resultate der verwendeten Risk-Assessment-Instrumente
fliessen als Teil einer Gesamtwürdigung sämtlicher vorliegender Informationen in die Schlussfolgerungen mit ein. Wenn
die Durchführung eines standardisierten Risk Assessments aufgrund zu wenig aussagekräftiger Aktenlage nicht möglich ist,
wird eine verkürzte Risikoabklärung mit einer genereller formulierten Einschätzung des Delinquenzrisikos erstellt.
Im sogenannten
Fallkonzept wird eine Hypothese zum Deliktmechanismus erarbeitet. Die veränderbaren und deliktrelevanten problematischen
Aspekte eines Klienten / einer Klientin werden benannt und in einen funktionalen Zusammenhang gebracht.
Basierend auf diesem Fallkonzept erstellt die AFA das Problemprofil. Sie formuliert für die Bearbeitung der einzelnen problematischen
Aspekte geeignete
Interventionsempfehlungen. Zudem wird auch ein Augenmerk auf vorhandene oder aufzubauende
Ressourcen des Klienten / der Klientin gelegt, die eine nachhaltige
Resozialisierung fördern.
Eine Risikoabklärung wird durchgeführt, wenn das
Fall-Screening-Tool (FaST) einen Abklärungsbedarf anzeigt. Eine Sonderform der Risikoabklärung bildet die
Risikosprechstunde. Diese kommt zum Einsatz, wenn eine fallverantwortliche Person unabhängig vom Triage-Ergebnis
einen Abklärungsbedarf feststellt. Dies kann zu jedem Zeitpunkt des Vollzugs erfolgen.
Die Risikoabklärung ist wie folgt gegliedert
Das Risikopotenzial verbindet zwei Grössen, die in einer Risikoabklärung der
AFA ermittelt werden. Erstens das Risiko, also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person in Zukunft ein Gewalt-
oder Sexualdelikt begeht und zweitens die Aussage, welcher Schweregrad eines solchen Delikts zu erwarten wäre.
Aus betriebsorganisatorischen Gründen ist es oft notwendig, sinnvolle Fallgruppen zu bilden. Dabei steht nicht selten der
Schutz potenzieller Opfer im Vordergrund: wo grosse Risiken vorhanden sind, wird häufig ein spezialisiertes Fallmanagement
mit strikteren, definierten Prozessen vorgesehen.
Es greift jedoch zu kurz, wenn für eine solche Fallzuteilung nur die Höhe des Risikos einer Person, künftig ein Gewalt- oder
Sexualdelikt zu begehen, berücksichtigt wird. Der Schweregrad ist in Bezug auf die potenzielle Opferschädigung äusserst
relevant: Ob für einen Klienten / eine Klientin ein hohes Risiko für leichtgradige oder schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte
prognostiziert wird, bedeutet für das potenzielle Opfer die Unterscheidung, ob ein Delikt keine behandlungsbedürftige
Schädigung oder bis hin zu tödlichen Folgen nach sich ziehen würde.
Ein hohes Risiko bedeutet entsprechend nicht automatisch auch ein hohes Risikopotenzial, wie die Fallbeispiele im nachfolgenden
Dokument aufzeigen.
Die Erstellung des Risikoprofils ist Teil des Prozessschrittes Abklärung. In der
Risikoabklärung der
AFA umfasst das Risikoprofil neben der Einschätzung des Delinquenzrisikos Angaben zur aktuellen risikorelevanten
Beeinflussbarkeit und zur Ausprägung psychopathischer Persönlichkeitseigenschaften des Klienten / der Klientin. Bei
der Anwendung des
Fall-Résumés werden keine eigenständigen Einschätzungen vorgenommen. Die
fallverantwortliche Person erstellt ein vereinfachtes Risikoprofil, in dem das Deliktverhalten beschrieben und
aktuelle bereits vorliegende Risikoeinschätzungen übernommen werden.
Die Quantifizierung des individuellen und deliktspezifischen Delinquenzrisikos in einer Risikoabklärung der AFA stützt sich
nicht lediglich auf die Ergebnisse der Prognoseinstrumente, sondern auf sämtliche beschriebenen risiko- und fallrelevanten
Aspekte. Mit diesem Vorgehen wird dem Bundesgerichtsentscheid, Urteil vom 09. April 2008 i.S. X. gegen das Amt für Justizvollzug
Zürich – 6B_772/2007 Rechnung getragen. Darin ist festgehalten, dass ein alleiniges oder auch nur überwiegendes Abstützen
einer Risikoeinschätzung auf Resultate aus Prognoseinstrumenten nicht zulässig ist, sondern zusätzlich einer differenzierten
Einzelfallanalyse durch einen Sachverständigen bedarf.
Durch den im rechtskräftigen Urteil definierten Straftatbestand erfolgt eine juristische Würdigung von vergangenem Verhalten.
Im Rahmen der zusammenfassenden Einschätzung des individuellen Delinquenzrisikos wird basierend auf den erläuterten Deliktmechanismen
die Eintretenswahrscheinlichkeit für zukünftiges Verhalten quantifiziert. Bei gewalttätigem Verhalten (sexuelle Gewalt
eingeschlossen) wird zudem der Schweregrad der zu erwartenden Handlungen angegeben. Die in der Abklärung verwendete Bezeichnung
des Schweregrades kann abweichen von entsprechenden Begriffsverwendungen im StGB.
Die Quantifizierung des Delinquenzrisikos erfolgt sechsstufig: sehr gering / gering / gering-mittel / mittel / mittel-hoch
/ hoch. Wobei die Stufen sehr gering, gering und gering-mittel bedeuten, dass langfristige Rückfallfreiheit als wahrscheinlicher
eingeschätzt wird wie Rückfälligkeit. Ab einem mittleren Risiko wird Rückfälligkeit als wahrscheinlicher eingeschätzt
wie Rückfallfreiheit. In Einzelfällen kann es vorkommen, dass das individuelle und deliktspezifische Delinquenzrisiko
von den Resultaten der verwendeten Prognoseinstrumente abweicht. Im Kapitel Risikoprofil wird fallspezifisch hergeleitet
warum es zu einer solchen Differenz gekommen ist.
Neben der Risikoquantifizierung wird im Risikoprofil auch der Schwergrad der prognostizierten Gewalt- oder Sexualdelikte
angegeben. Es werden vier Abstufungen unterschieden.
-
Kein physischer Opferkontakt: z.B. Drohung, Nötigung, Pornografie, Exhibitionismus. Akzentsetzung: In Einzelfällen
kann eine behandlungsbedürftige psychische Belastung für die geschädigte Person intendiert oder wahrscheinlich sein.
-
Leichtgradig: eine behandlungsbedürftige physische oder psychische Opferschädigung ist nicht intendiert und
/ oder wenig wahrscheinlich.
-
Mittelgradig: Eine behandlungsbedürftige physische oder psychische Opferschädigung ist intendiert und / oder
wahrscheinlich. Eine bleibende physische oder tödliche oder erhebliche psychische Opferschädigung ist nicht intendiert
und / oder wenig wahrscheinlich.
-
Schwerwiegend: Eine bleibende physische oder tödliche oder erhebliche psychische Opferschädigung ist intendiert
und / oder wahrscheinlich.
Es ist nicht selten so, dass bei einer Person eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Begehung unterschiedlicher Delikte
besteht. Je nach Problemprofil und Deliktmechanismus kann dies zum Beispiel bedeuten, dass das Risiko für leichtgradige
Gewaltdelikte als hoch, dasjenige für mittelgradige Gewaltdelikte jedoch lediglich als gering-mittel eingestuft wird.
Ebenso kann es sein, dass bei einer Person ein mittleres Risiko für die Begehung von Sexualdelikten ohne physischen Opferkontakt
als hoch eingestuft wird und zudem von einer mittleren Wahrscheinlichkeit für die Begehung von leichtgradigen Gewaltdelikten
ausgegangen wird. Sämtliche Einstufungen werden im Risikoprofil fallspezifisch erläutert.
Sobald sich Veränderungen im
Problemprofil ergeben oder sich im Verlauf einer Sanktion neue Informationen ergeben, die das bestehende Problemprofil
in Frage stellen, wird dies als risikorelevante Entwicklung bezeichnet. Dabei kann es sich um risikoerhöhende und
risikosenkende Veränderungen handeln.
Veränderungen im Problemprofil beziehen sich auf die Ausprägung (stärker bzw. weniger stark ausgeprägt) der individuell risikorelevanten
personen- oder umweltbezogenen problematischen Aspekte.
Von Risikosensibilisierung oder einer risikoorientierten Arbeitshaltung wird gemäss ROS-Konzept dann gesprochen, wenn
sämtliche Fachpersonen auf der Basis einer unterstützenden Grundhalten darauf achten, ob sich während des gesamten
Sanktionsvollzugs fallspezifisch
risikorelevante Entwicklungen abzeichnen oder Hinweise auf einen
potenziell kritischen Verlauf ergeben.
Wenn unter einer risikoorientierten Arbeitshaltung lediglich das fokussieren auf risikoerhöhende Entwicklungen verstanden
wird, greift dies deutlich zu kurz. Um risikosenkende wie auch risikoerhöhende Entwicklungen oder Hinweise auf einen
potenziell kritischen Verlauf erkennen zu können, ist forensisch-prognostisches Fachwissen zentral
(Schulungs- und Coachingangebot).
Wenn im
forensischen Fachsupport bei der
AFA festgestellt wurde, dass kein Bedarf für die Erstellung einer
Risikoabklärung besteht (differenziertes Problem- und
Risikoprofil mit daraus abgeleiteten
Interventionsempfehlungen), aber dennoch Fragestellungen vorliegen, die von einer forensischen Fachperson bearbeitet
werden müssen, werden diese in Form der Risikosprechstunde schriftlich von der AFA beantwortet.
Im Rahmen der Risikosprechstunde erfolgt die vertiefte Analyse einer fallspezifischen, forensischen Fragestellung. Unabhängig
von der FaST-Klassifikation untersucht die AFA den Fall aus forensischer Perspektive und hält ihre Einschätzung und Empfehlungen
schriftlich fest.
In einer
Risikoabklärung der
AFA wird das Delinquenzrisiko des Klienten / der Klientin mittels standardisierter, validierter Risk-Assessment-Instrumente
(z.B. PCL-R, FOTRES, VRAG, SORAG, Static 2002R, ODARA) bestimmt. Wenn dies aufgrund zu wenig aussagekräftiger
Aktenlage nicht möglich ist, wird eine verkürzte Risikoabklärung mit einer genereller formulierten Einschätzung
des Delinquenzrisikos erstellt.
Es ist vorgekommen, dass Behörden und Arbeitspartner, die ROS anwenden, ihre eigens erstellten Dokumente mit Verweisen
auf den Risikoorientierten Sanktionenvollzug versehen haben. Dies hat eine Verunsicherung ausgelöst, welche Dokumententypen
den offiziellen ROS-Vorlagen entsprechen.
Die ROS-Dokumente sind:
-
Dokumente der ROS-Administration mit Logo und Signatur
-
Triage: Stammblatt
-
Triage: FaST-Zusammenfassung
-
Abklärung: Auftrag Risikoabklärung
-
Abklärung: Auftrag Risikosprechstunde
-
Abklärung: Risikoabklärung
-
Abklärung: Fall-Résumé
-
Planung: Fallübersicht aus Risikoabklärung
-
Planung: Fallübersicht aus Fall-Résumé
-
Planung: Vollzugsplanungmatrix (Anwendung optional)
-
Verlauf: Checkliste Freiheitsstrafe
-
Verlauf: Checkliste ambulante Therapie
-
Verlauf: Checkliste stationäre Massnahme
-
Verlauf: Checkliste Bewährungshilfe
-
Verlauf: Verlaufsliste Freiheitsstrafe
-
Verlauf: Verlaufsliste ambulante Therapie
-
Verlauf: Verlaufsliste stationäre Massnahme
-
Verlauf: Verlaufsliste Bewährungshilfe
Im Standard ROS, dem Standard AFA und dem Standard ROSnet werden Mindestanforderungen zur konzeptgerechten Umsetzung
von ROS geregelt. Die Standards sind kantons- und konkordatsübergreifend gültig.
Im Sinne von Mindestanforderungen wird im Standard ROS festgehalten, welche Prozesse eingehalten und welche Verantwortlichkeiten
erteilt werden müssen, damit ein Kanton ROS konzeptgerecht umsetzen kann. Für die konkrete Umsetzung von ROS ist es notwendig,
dass sowohl auf konkordatlicher als auch auf kantonaler Ebene handlungsleitende Weisungen, Richtlinien und Merkblätter
erarbeitet werden.
Im Standard AFA ist festgehalten, welche Voraussetzungen eine Abteilung für forensisch-psychologische Abklärungen
(AFA) erfüllen muss um ROS konzeptgerecht umsetzen zu können.
Im Standard ROSnet wird festgehalten, welche Prozesse eingehalten und welche Verantwortlichkeiten erteilt werden müssen,
damit ein Kanton ROSnet korrekt anwenden kann.
Zusammen mit der ROS-Administration hat das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug (SKJV) ein
Schulungsangebot erarbeitet, das sowohl ROS-unabhängiges Grundlagenwissen als auch ROS-spezifische Kurse umfasst.
Das Kursangebot ist auf der Website des SKJV publiziert.
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat dem SKJV den Auftrag erteilt, für
alle am Vollzug beteiligten Stellen ein schweizweites Bildungsangebot zu delikt- und risikoorientiertem Fallmanagement
sowie zum Umgang mit Straftätern / Straftäterinnen mit erhöhten Risiken zu schaffen.
Kursangebot Grundlagen
-
A1: Risikoorientiertes Denken und Handeln
-
A2: Prognostik verstehen
-
A3: risikorelevante Störungsbilder verstehen
Das Zielpublikum besteht aus
fallverantwortlichen Personen der einweisenden Behörde oder der Bewährungshilfe sowie jenen Mitarbeitenden der
Arbeitspartner, die bei Fällen mit
Risikoabklärung oder
Fall-Résumé Interventionen planen, empfehlen oder diese durchführen.
Die Grundlagenkurse umfassen allgemeines, ROS-unabhängiges Basiswissen, das für Mitarbeitende, die risikoorientiert arbeiten
sollen, unabdingbar ist. Ohne diese Kenntnisse fehlt ein Verständnis für ein risikoorientiertes Fallmanagement. Angeboten
werden Kurse zur theoretischen Fundierung der Risikoorientierung, zu Psychopathologie und zu Prognostik.
Die Kurse bilden lediglich eine Einführung in die genannten Themen und ersetzten eine umfassende Ausbildung (CAS, DAS, MAS,
etc.) nicht. Ausführliche Kursbeschriebe können auf der Website des SKJV eingesehen werden. Die ROS-Administration gibt
über geeignete weiterführende Bildungsangebote Dritter Auskunft.
Kursangebot ROS-spezifisch
-
B1: Einführung Risikoorientierter Sanktionenvollzug
-
B2: Prozessschritt Triage
-
B3: Prozessschritte Abklärung, Planung, Verlauf
-
B4: Planen und Intervenieren
-
B5: in Vollzugseinrichtungen intervenieren
Das Kursangebot B1-B5 spricht folgendes Zielpublikum an:
-
B1: Sämtliche Mitarbeitende der einweisenden Behörde, der Bewährungshilfe sowie der Arbeitspartner, die in irgendeiner
Form mit ROS-Fällen arbeiten.
-
B2: Mitarbeitende der einweisenden Behörde oder der Bewährungshilfe, die für die Triage mittels Fall-Screening-Tool
(FaST) verantwortlich sind.
-
B3 / B4: Fallverantwortliche Personen der einweisenden Behörde oder der Bewährungshilfe sowie jene Mitarbeitenden
der Arbeitspartner, die bei Fällen mit Risikoabklärung oder Fall-Résumé Interventionen planen, empfehlen oder diese
durchführen.
-
B5: Mitarbeitende der Arbeitspartner, die direkt mit Klienten / Klientinnen arbeiten, für welche eine Risikoabklärung
oder ein Fall-Résumé vorliegt; Interventionen umsetzen und/oder Beobachtungen aus dem Wohn- und/oder Arbeitsbereich
rückmelden müssen.
Die Kurse B1 - B5 umfassen ROS-spezifisches Fachwissen. Die Kurse werden in Kooperation mit dem SKJV angeboten. Die inhaltliche
Verantwortung liegt bei der ROS-Administration. Ausführliche Kursbeschriebe können auf der Website des SKJV eingesehen
werden.
Sämtliche Mitarbeitenden der einweisenden Behörde und der Bewährungshilfe, die ROS-Fälle bearbeiten, müssen entsprechend
ihrer Funktion im ROS-Prozess B-Kurse besuchen (siehe Zielgruppe). Ohne Schulung darf ROSnet nicht angewendet werden.
Im Prozessschritt Verlauf wird mit Hilfe der standardisierten Berichterstattung sichergestellt, dass in den Verlaufseinschätzungen
der
Arbeitspartner Bezug genommen wird auf den in der Fallübersicht
(FÜ) definierten Veränderungs- und
Kontrollbedarf sowie über Hinweise für einen potenziell kritischen Sanktionsverlauf berichtet wird.
Neben der FÜ basiert die standardisierte Berichterstattung für die Arbeitspartner auf der Berücksichtigung der sanktionsspezifischen
Auswertungskriterien und für die Fallverantwortlichen der Vollzugsbehörde auf der Anwendung der sanktionsspezifischen
Verlaufslisten. Die Form und Frequenz der Verlaufsberichterstattung muss durch die beteiligten Fachpersonen fallspezifisch
definiert werden. Die
ROS-Standards enthalten hierzu keine Vorgaben. Um die Nachvollziehbarkeit von Entwicklungen und Vollzugsentscheidungen
sicherzustellen ist jedoch zwingend, dass die entsprechenden Einschätzungen schriftlich festgehalten werden. Dies kann
in Form von Berichten, Sitzungsprotokollen, Gesprächsprotokollen etc. erfolgen.
In sanktionsspezifischen
Checklisten ist definiert, zu welchen risikorelevanten Fragestellungen eine aktuelle Einschätzung der Arbeitspartner
erforderlich ist. Die Arbeitspartner können entweder die Checkliste ausgefüllt ihrem Bericht beilegen, oder aber die
Items der Checkliste direkt in ihre Berichtsstruktur integrieren.
Verlaufslisten sind in ROSnet integrierte Fragebögen, die es der
fallverantwortlichen Person ermöglichen, die Berichte ihrer Arbeitspartner anhand definierter Auswertungskriterien
strukturiert auf Vollständigkeit und Aussagekraft zu überprüfen.
Die systematische Überprüfung des Verlaufs der Interventionen gemäss Fallübersicht mittels Verlaufslisten unterstützt die
fallverantwortliche Fachperson darin, vollzugsrelevante Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen.
Problematische Aspekte, welche die Wahrscheinlichkeit für delinquentes Verhalten erhöhen und in der Umwelt eines Klienten / einer Klientin verankert sind, werden als umweltbezogener Veränderungsbedarf im Problemprofil aufgeführt. Dabei handelt es sich um zentrale Lebensbereiche, die häufig aufgrund einer langfristigen negativen Ausprägung zu einer deutlichen Destabilisierung der Lebensgestaltung eines Klienten / einer Klientin geführt haben. Um eine nachhaltige Resozialisierung zu erreichen, müssen diese Aspekte im Rahmen von spezifischen Interventionen stabilisiert werden.
Die in der Übersichtstabelle aufgeführten problematischen Aspekte, die mit ROS als umweltbezogener Veränderungsbedarf zur Anwendung kommen, basieren auf robusten wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Quellenangaben).
Zur Bearbeitung des umweltbezogenen Veränderungsbedarfs müssen spezifische Veränderungsziele gesetzt und wirksame Interventionen für deren Erreichung bezeichnet werden (vgl. Übersichtstabelle).
Verlaufslisten sind in ROSnet integrierte Fragebögen, die es der
fallverantwortlichen Person ermöglichen, die Berichte ihrer
Arbeitspartner anhand definierter
Auswertungskriterien strukturiert auf Vollständigkeit und Aussagekraft zu überprüfen. Nach der Anwendung einer
Verlaufsliste ist ersichtlich, welche Informationslücken ein Bericht allenfalls aufweist und ob Hinweise auf einen
potenziell kritischen Verlauf vorliegen.
Verlaufslisten sind für vier Sanktionsformen programmiert:
-
Freiheitsstrafe
-
Bewährungshilfe
-
Ambulante Therapie
-
Stationäre Massnahme
Aus dem ersten Teil einer Verlaufsliste wird ersichtlich, ob ein Bericht Informationslücken aufweist. Der zweite Teil zeigt
auf, ob Hinweise auf einen potenziell kritischen Verlauf vorliegen. Die fallverantwortliche Person ist aufgefordert,
das weitere Vorgehen zu definieren. Ergeben sich risikoorientierte Fragestellungen ist die AFA mittels
forensischem Fachsupport beizuziehen.
Die systematische Überprüfung des Verlaufs der Interventionen gemäss
Fallübersicht mittels Verlaufslisten unterstützt die fallverantwortliche Fachperson darin, vollzugsrelevante Entscheidungen
nachvollziehbar zu begründen.
Im Schweizerischen Strafgesetzbuch wird die Erstellung eines Vollzugsplans vorgeschrieben.
Art. 75 Abs. 3 StGB:
Die Anstaltsordnung sieht vor, dass zusammen mit dem Gefangenen ein Vollzugsplan erstellt wird. Dieser enthält namentlich
Angaben über die angebotene Betreuung, die Arbeits- sowie die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Wiedergutmachung,
die Beziehungen zur Aussenwelt und die Vorbereitung der Entlassung.
Art. 90 Abs. 2 StGB:
Zu Beginn des Vollzugs der Massnahme wird zusammen mit dem Eingewiesenen oder seinem gesetzlichen Vertreter ein Vollzugsplan
erstellt. Dieser enthält namentlich Angaben über die Behandlung der psychischen Störung, der Abhängigkeit oder der Entwicklungsstörung
des Eingewiesenen sowie zur Vermeidung von Drittgefährdung.
Die differenziertere Ausgestaltung vom Vollzugsplan ist in den entsprechenden konkordatlichen Richtlinien definiert:
Für eine hohe Kompatibilität mit dem ROS-Konzept sind für die Ausgestaltung des Vollzugsplans folgende Ausführungen relevant:
Damit die Interventionen gemäss Fallübersicht
(FÜ) auch tatsächlich im Sinne der Planung umgesetzt werden, empfiehlt es sich dem definierten Veränderungsbedarf
entsprechende realistische Vollzugsziele zuzuordnen und diese in den Vollzugsplan zu übernehmen. Dasselbe gilt auch für
den
Kontrollbedarf gemäss FÜ.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen folgendes deutlich auf: Für die Veränderungsbereitschaft von Klienten und eine erfolgreiche
Behandlung ist es sehr förderlich, wenn aus den in der FÜ definierten problematischen Aspekten positiv formulierte Annäherungsziele
anstelle von Vermeidungszielen abgeleitet und Vollzugsziele mit individuell relevanten Lebenszielen verknüpft werden.
-
Beispiel 1:
Problematischer Aspekt: Aggressivität
Vermeidungsziel: Weniger aggressiv sein
Annäherungsziel: Möglichst oft gelassen sein
bedeutsames Lebensziel: Ein guter Ehemann sein. Wenn es mir gelingt auch in Beziehungskonflikten gelassen zu bleiben,
komme ich diesem Ziel näher.
-
Beispiel 2:
Problematischer Aspekt: Impulsivität
Vermeidungsziel: Weniger impulsiv sein
Annäherungsziel: Sich möglichst gut steuern können
bedeutsames Lebensziel: Ein in finanzieller Hinsicht sorgenfreies Leben haben. Wenn es mir gelingt neben kurzfristigen
auch langfristige Folgen meiner Entscheidungen zu berücksichtigen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ich
beim ersten Anflug von Desinteresse meine Lohnarbeit aufgebe oder auf verlockende Möglichkeiten eingehe, illegal
aber schnell zu viel Geld zu kommen.
Literatur
-
Flückiger, C. & Grosse-Holtforth, M. (2007). Ressourcenaktivierung und motivorientierte Beziehungsgestaltung
– Bedürfnisbefriedigung in der Psychotherapie. In R. Frank. Therapieziel Wohlbefinden. Heidelberg: Springer.
-
Sachse, R. (2016). Therapeutische Beziehungsgestaltung. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Göttingen: Hogrefe.
-
Stucki, C. & Grawe, K. (2007). Bedürfnis- und Motivorientierte Beziehungsgestaltung, Hinweise und Handlungsanweisungen
für Therapeuten, Psychotherapeut, 52, 16-23.
Die Vollzugsplanung erfolgt durch die einweisende Behörde. Sie umfasst die Ausgestaltung des gesamten Vollzugs einer
gerichtlich angeordneten Sanktion. Die Fallübersicht
(FÜ) gilt dabei als zentrales Hilfsmittel für die inhaltliche Planung und Steuerung des Vollzugs einer Sanktion.
Der Risikoorientierte Sanktionenvollzug ROS basiert auf empirisch fundierten Wirksamkeitsprinzipien. Darunter versteht
man Grundsätze vollzugspraktischer Handlungen, deren Realisierung zu einem möglichst hohen Grad rückfallpräventiv
wirken. Die wichtigsten Wirksamkeitsprinzipien lassen sich im RNR-Modell (Andrews & Bonta, 2010) zusammenfassen:
das Risikoprinzip (risk principle), das Bedarfsprinzip (need principle), und das Ansprechbarkeitsprinzip (responsivity
principle).